Wenn die Hunde die Stadt verlassen ...
KATHAMNDU NACH DEM BEBEN UND DIE GESCHICHTEN, DIE MAN SONST NICHT HÖRT.
… 13 Tage nach dem Beben ist die Stadt immer noch still. Die Straßen leer. Die Touristen in ihren Heimaten. Die Hälfte der Geschäfte sind geschlossen. Die sonst unzählig umher streunenden Hunde fehlen in der Stadt. Sie haben die Stadt verlassen. Bereits Tage vor dem Beben. …
So erzählt man sich in Kathmandu. So hören wir es von einer der wenig übrig gebliebenen Urlaubern. Eine junge Mitvierzigerin mit ihrer Tochter aus Luxemburg. Sie wittert gegen ihre, die französische Botschaft. Vielmehr gegen deren Vertreter und deren unmenschliches Verhalten. Persönliche Erfahrungen. Wahre Tatsachen zu Katastrophenzeiten in Kathmandu nach dem Beben.
… 50 Tage nach dem Beben wirkt die Stadt etwas leichter. Immer noch ist es still. Immer noch sind die Straßen leer. Die Touristen immer noch in ihren Heimaten. Farbige T-Shirts, einige frisch und unbefleckt, andere grau und gelb von Staub und Schlamm unzähliger Hilfsorganisationen füllen das Straßenbild. Die Hunde kommen zurück. Langsam. Vereinzelnd. …
So nehmen wir Kathmandu wahr. Noch immer sind zahlreiche Straßen, Passagen und Durchgänge gesperrt. Ziegel, Geröll und Schutt blockieren Treppen und Wege. Noch immer sind Parks, Straßenecken und freie Flächen ein farbenfrohes Meer eng aneinander gereihter Zeltplanen und Notunterkünfte. Die neuen Wohnstätten der Bewohner von Kathmandu.
… 60 Tage nach dem Beben kommt Leben in die Stadt. Wirklich? Die 'Touristenattraktionen' sind wieder geöffnet, mit 'gesicherten Führungen durch die Tempelruinen'. Der Platz wirkt verstört. Er fühlt sich schwer an. Die Erde bebt noch immer. Aber das Leben geht weiter. Neben den Ruinen der alten Hindutempel fordern Rote Kreuz Helfer freundlich auf Blut zu spenden. Sterilität kennen wird anders, aber die Spritzen, Kanülen, Handschuhe und Co sind frisch in Plastik verschweißt. Die Hunde sind zurück in der Stadt. Das Stadtbild findet seine Normalität. …
So zeigt sich Kathmandu nach einer verehrenden Katastrophe. Viele negative Stimmen sind laut geworden. In den Medien, den Zeitungen, den Berichterstattungen. Übliche Vorwürfe und Anklagen der Korruption, der nicht effizient genug arbeitenden Regierung, die nicht ordnungsgemäße Verwendung von Spendengeldern, Reis und Co.
… 100 Tage nach dem Beben hat sich vieles und nichts geändert in der Hauptstadt. Einige mögen den Fortschritt erkennen. Andere immer noch nur die Zerstörung sehen. Seit dem Beben haben wir viele Geschichten gehört. Geschichten, die nicht den Medien auftauchen. Die sich entgegen der sonst negativen und anklagenden Pressestimmen erheben. Geschichten von einfachen Menschen, die gekommen sind und was getan haben.
Da war der Mann mit Brille aus Australien in seinem ordentlichen Hemd mit Bügelfalte und Anzughose. Er hat die Familie aus seinem letzten Urlaub kontaktiert, einen Flug gebucht und drei Wochen lang mit einem halben Hammer, seinen Händen und der Familie ein neues Zuhause und Haus geschaffen.
Dieser andere älter Mann, auch aus Australien, wildes zerzaustes Haare mit Tatendrang. Er sorgt sich um die 'Straßenkinder' und 'Müllsammler' von Thamel. Kauft Medikamente, sucht nach einer neuen Bleibe. Seine Familie kommt aus Indien. Sie leben mit 9 Personen auf weniger als 4qm2 unter der Erde. Kein Fenster. Keine Lüftung. Es ist feucht an den Wänden.
Da ist die blonde junge Frau, die drei Wochen in den Außenhügeln von Kathmandu gelebt hat, um dort bei Aufräumarbeiten zu helfen. Zerstörte Häuser mussten abgetragen, Schutt gesammelt und aufgeräumt werden. Ein Leben auf Zeit unter einfachsten Bedingungen.
Da sind die zwei jungen Männer aus Schweden, die ihr Herz an einem bestimmten Ort in den Bergen von Kathmandu verloren haben und mit Leidenschaft und Energie versuchen eine bessere Welt zu kreieren. Für sich. Für die Dorfbewohner. Für die Gemeinschaft.
Da sind so viele mehr. So viele mehr Menschen, die geblieben sind um zu helfen. Die gekommen sind, um mit anzupacken. So viele Menschen aus der ganzen Welt, die mit ihren zwei Händen Veränderung geschaffen haben. Menschen helfen Menschen. Wo Hilfe gebraucht wird.
© Rebecca Kiefer. 27. Juli. 2015. Pokhara. Nepal.
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