KKEL - Hilflos in uns selbst gefangen
Wenn eine Patientin einfach ihr Bewusstsein verliert. Dann stehen andere Patienten einfach hilf- und ratlos daneben. Betten ihren Kopf auf die Oberschenkel einer anderen. Heben die Beine hoch in die Luft mit Hilfe eines anderen. Decken sie zu mit der wärmenden Jacke eines anderen. Stehen betroffen daneben. Gemeinsam. Jeder für sich. Still und stumm, während sie liegt und zittert. Krampfend.
Sie hat selbst aus der Ohnmacht wieder zu finden. Bis zu fünf Minuten können ihre Anfälle dauern. Ein Arzt tritt dazu. Voller Elan. Der Situation nicht angemessen. Zur Seite sollen wir treten und sich unsere Versammlung auflösen. Wir verweilen. Waren wir doch alle gemeinsam gekommen und standen gemeinsam um den gefallenen Engel. Dann übernimmt der Azrt. Reagiert nicht auf unsere Bitten. Schlägt sie fest ins Gesicht, um sie wieder zu uns zu holen. Doch gesagt wurde ihr, dass sie alleine aus der Ohnmacht finden muss. Wir geben es so weiter. Eine Schwefelampulle wird gefordert. Der beißende Geruch soll sie zurück in die Welt holen. Sie hustet und krampft noch mehr. Steht auf. Will keine Stütze. Geht wankelnd zur Seite. Muss sich übergeben. Zittert am Körper. Wir anderen. Zittern auch. Hilf- und ratlos daneben. Der Arzt dabei die 'Versammlung' aufzulösen. Hat er immer noch nicht begriffen, dass wir alle gemeinsam Eins waren und noch sind.
Dann gehen wir alle gemeinsam nach oben. Auch der gefallene Engel. Kraftlos. Hilfe und Stütze möchte sie nicht. Auf den Beinen wankt sie immer noch. Der Arzt lässt uns alleine.
Wir erreichen die Station. Die Pfleger warten auf uns. Warten auf sie. Möchten wissen, was passiert ist. Im Einzelgespräch. Wir anderen lösen uns langsam auf. Auf andere Stationen. In unsere Zimmer. In uns Selbst. Einige sitzen wartend vor dem gläsernen Schwesternzimmer. Hilflos und ratlos. Ihre Blicke werden leerer. Sie werden gefangen. Von ihren eigenen Gedanken und noch immer von hilfloser Unfassbarkeit gebeutelt. Die Blicke ziehen sich weiter zurück. Jetzt beginnt die persönliche Verarbeitung der anderen. Ein jeder für sich. Ein jeder nach seinem Charakter.
Da ist K****. Er steht dem Engel besonders nahe. Als ob sich zwei Geschwister gefunden haben, so eng und vertraut sind sie miteinander geworden. Fangen sich auf und lachen gemeinsam. Er hat ihre Füße gehalten. Er hatte auch die Amonikampulle für den Arzt griffbereit. Eigentlich sein persönicher Bedarf, wenn er hinweggleitet in eine Welt, in der er für sich ist und die Aggression in ihm Griff hat. Dann schlägt er mit der Faust gegen die Wand und kann sich an nichts erinnernt. Er sieht seinen Onkel im Spiegel. Jetzt wird sein Blick leer. Seine Stimmung wütend. Die Wut steigt in ihm auf. Er muss sich konzentrieren, dass er bei uns bleibt. Schweißperlen treten auf seine Stirn. Er beginnt sich aufzuregen. Gegen den Arzt zu wüten. Doch viel mehr ist es die eigene gespürte Hilflosigkeit, die ihn hinfortreißt und wütend werden lässt.
Dann ist da G*******. Auch er zieht sich mehr und mehr in sich zurück. Verliert den Bezug zur Wirklichkeit. Seine Augen werden groß. Groß und panisch. Gefüllt mit Angst. Er wird stumm und verschließt sich immer mehr. Reagiert nicht auf die Hand, die in seine gelegt wird und ihn mit Druck ins Hier und Jetzt zurückzuholen versucht. Bleibt verschlossen und steif in seiner vornübergebeugten Haltung. Seine Augen werden immer glasiger. Mehr und mehr entfernt er sich vom eigentlichen Sein. Taucht ein in eine panische Welt voller Angst, Hilflosigkeit und gefesselten Händen. Was wenn es seiner Schwester wieder fahren wäre. Was soll er nur tun? Wie nur handeln? Er füht sich machtlos und sieht seine Liebsten ohnmächtig auf dem Asphalt liegen. Paralysiert. Er ist für sich. Möchte es auch bleiben. Sein Körper zuckt. Er schüttelt sich. Versucht zu weinen. Doch die Tränen bleiben aus.
Ein jeder versucht anders das Geschehene zu verarbeiten. Ein jeder zieht sich in sich selbst zurück. Dann schlägt die Psychose durch. Bei einem jeden die eigene. Einer wird aggressiv. Der andere verzweifelt. So vielschichtig sind wir. So unterschiedlich reagieren wir auf das was um uns herum geschieht. So viel mehr hilfloser werden wir, wenn das eigene Ich auch mit in der Gegenwart mischen will.