Tel Aviv nach Haifa. Kurz. Knackig. Unerwartet.
Es sollte eines meiner Vorhaben werden in Israel. Eines, warum ich extra mit meinen Inlinern nach Israel gekommen bin. Denn mit diesen und zu Fuß wollte ich Teile des National Israel Trail von Tel Aviv nach Haifa zurücklegen. Hab ich auch. Einen ganzen Tag lang und stolze 16 Kilometer.
Dann kam alles ganz anders und der Zug hat mich sofort nach Haifa gebracht. Aber immer langsam und zum Tagesbeginn zurück. Da bin ich nämlich frisch, fromm, fröhlich, frei aufgewacht und habe mir bei Sonnenschein und (endlich!) keinem Regen eine Tasse Kaffee und meine Zigarette gegönnt, bevor es dann losgehen sollte.
So sollte es gegen halb zehn los gehen. Mit etwas mehr als 10 Kilo auf den Schultern und jede Menge guter Hoffnung ... und jede Menge Zweifel, ob die Kilos auf meinem Rücken nicht doch zu viele sind. Also wagemutig auf in die Ferne. Die Strecke durch Tel Aviv entlang der Strandpromenade hat sich gezogen. Unglaublich lang. Bestimmt doppelt so lang.
... und bequem war es auch nicht wirklich, wie ich mir meine Taschen auf dem Rücken zurecht gelegt hatte. Erst der kleine Rucksack, dann die große Backpack. Also nein. Die Hoffnung wurde kleiner und kleiner. Der Zweifel größer und größer. Ich würde es so nie nach Haifa schaffen.
Nach zwei Stunden Fußmarsch war ich immer noch auf der gleichen Strandpromenade, die ich Tage zuvor in kürzester Zeit entlang gerollt war. Nur dass ich jetzt noch wirklich Respekt davor hatte, die Inliner unter meine Füße zu schnallen und mit dem ganzen Gepäck los zu düsen. Wenn es das Alter ist, das uns vorsichtiger und bedächtiger werden lässt, dann habe ich es das erste Mal so erfahren. Denn ich war wirklich zu besorgt, dass ich wieder auf die Nase fallen könnten.
Also wollte ich erst durch die Stadt und mich auf Rollen an den weniger besuchten Stellen des INT versuchen. Was ich später auch gemacht habe und der Wind hat mich Sage und Schreibe ganze 1,5 Kilometer in kürzester Zeit von A nach B gepustet. Dann war der Wanderweg leider zu Ende und es ging lange, laaange, laaaaaaange Zeit durch Sand. Mit Wind, der einem echt um die Ohren gepeitscht ist. Aber langsam im Text.
Immer noch in Tel Aviv nach zwei Stunden strammer Fußwanderung, habe ich erstmal eine Pause eingelegt. Kaffee! Ich brauchte Kaffee ... und Zeit ein wenig über mein Vorhaben nachzudenken. Sollte ich das wirklich durchziehen mit den 100 Kilometern nach Haifa? Würde ich es wirklich schaffen mit meinem Gepäck?
Für Übernachtungen auf dem Weg sollten übrigens die 'Trail Angels' sorgen. Menschen, die sich dazu bereit erklärt hatten Wanderern des INT aufzunehmen und ihnen Obdach zu gewähren (Von wegen!) . Also komm, dachte ich, eine solche Erfahrung möchte ich mir doch nicht entgehen lassen. Ich schaff das schon! Also habe ich gute zwei Stunden gegrübelt, nachgedacht und geschrieben, um mir dann meinen Rucksack wieder aufzuschnallen, mir eine spitzfindige Bemerkung abzuholen, dass ich nicht so leicht reisen solle und weiter gen Haifa zu wandern.
.... über Stock und über Stein ... und ziemlich lange durch Sand und noch mehr Sand und noch mehr Sand. Das war nicht angenehm und hat wirklich viel Kraft gekostet. Aber ich habe noch weitere 11 Kilometer zurückgelegt.
16 Kilometer weit haben mich meine Füße getragen, bis ich endlich in Herzlina angekommen bin und hier sehnsüchtig darauf gehofft habe, dass sich einer der Trail Angels bei mir meldet. Haben sie nicht! Super! Aber gedanklich war ich auch den ganzen Tag dabei die Nacht durchzuwandern und mich im freien schlafen zu sehen. Law of Attraction, hey?!
Was ich aber nicht wusste, ist, dass Herzlina ein super teuer Urlaubsort ist, wo es Zimmer in Preisklassen gibt, die sowas von außerhalb meines Budgets liegen, dass ich noch nicht mal feilschen muss. Keine Chance. Aber siehe da! Ein Mc Donalds. Das kann mich über die Nacht beherbergen! Von wegen! Im Einkaufszentrum gelegen, dass um 9 geschossen wird. Nächste Idee, bitte?
Weiter wandern durch die Nacht und sich ein Plätzchen irgendwo am Strand suchen? Mhh? Hätte ich vielleicht austesten sollen. Aber bei den Wettervorhersagen? Ich war ja schon froh, dass ich komplett trocken bis nach Herzlina gekommen bin. Ich war sauer und genervt und am Ende meiner Kräfte. Aber angekommen (wo auch immer) war ich immer noch nicht.
Die Wetterprognosen für die Nacht stimmten mich auch nicht gerade positiv. Regen! Sturm! Stürmischer Regen! Regnerischer Sturm! ... und das alles an einem Ort, an dem ich mich wirklich von Mal zu Mal unwohler fühlte. Hier werde ich noch nicht Mal Ruhe haben, wenn ich mich an den Strand zurückziehen. Oder doch? Ausprobiert habe ich es nicht. Warum eigentlich nicht?! Weil die Wetterprognosen wirklich so schlecht waren?
Also? Nächste Lösung! ... und meine war mit Bus und Zug nach Haifa zu fahren. Statt einer 100 Kilometer langen Wanderungen waren es ganze 16 Kilometer, die ich zu Fuß zurück gelegt habe.
Der Bus zum Bahnhof war lange und, im Verhältnis zu deutschen Langstreckenpreisen, sogar ganz günstig. Die Zugfahrt, die über eine Stunde, mit Umsteigen dauern sollte hat mich 25,50 Schekel gekostet (umgerechnet 6,10 Euro). Auch akzeptabel.
Am Bahnhof hieß es dann wieder Taschen durchleuchten lassen und aufpassen nicht nass zu werden. Denn es hatte mittlerweile fürchterlich angefangen zu regnen. Bei dem regen hätte ich auf keinen Fall die Nacht durchstanden und mein Gepäck hätte es auch nicht wirklich überlebt. Also, sollte so langsam Freude aufkommen, dass mich auf den Weg nach Haifa befinden sollte, oder nicht? Ist aber nicht. Denn ich wollte die ganze Strecke wandern und irgendwie kommt mir die Zugreise wie eine faule Ausrede vor. So ganz angekommen und im Travelmodus bin ich dann aber wohl doch noch nicht.
Umsteigen musste ich auch ... und ohne die Hilfe zahlreicher junger Israelis auf dem Weg, wäre ich nie richtig am Ziel angekommen. Besonders die erste Zugfahrt durfte ich einen besonderen Mann treffen, der mir nicht nur sein Internet anbot, sondern auch dafür sorgte, dass ich weiß bei welcher Haltestelle ich am besten aussteige, damit der Weg zum Hostel möglichst kurz wird.
Das war er auch. Denn vom Bahnhof zum Hostel waren es lediglich wenige, wenn auch sehr regenreiche Minuten. Bis auf die Haut war ich durchnässt und auch mein kleiner Rucksack fing an dem Regen nicht mehr adäquat standhalten zu können. Spätestens jetzt, sollte ich mich freuen in Haifa zu sein, oder nicht?
Die Freude sprang immer noch nicht über. Das Hostel aber, machte auf den ersten Eindruck den bislang Besten. Hier scheint man sich wohlfühlen zu können ... und es stimmt auch. Es ist ein schnuckliges kleines Hostel, mitten in der deutschen Kolonie in Haifa. Sehr zentral gelegen und ein wenig familiär ... und die Betten! Die Matratzen! So dick und so weich und so gemütlich und bequem. Ja! Hier kann man sich wohlfühlen.
Warten wir ab, was drei Tage Haifa noch so alles bringen werden! Den ersten Tag werde ich mich wohl ganz faul erholen. Denn meine Füße spüren die 16 Kilometer. Mein Rücken auch. Aber eins muss noch gesagt werden. Es ist verdammt kalt hier. Da frag ich mich, ob ich nicht doch woanders hinreisen soll?! Kalt hier? ... wenn ich hier schon gewusst hätte, wie kalt es in Israel noch werden würde, hätte ich meinen Mund nicht so weit aufgemacht.